Viele
Psychologen haben Persönlichkeitszüge und Persönlichkeit definiert
und gemessen. Hans Jürgen Eysenck (1916-1997), als einer der
einflussreichsten Vertreter der Persönlichkeitsforschung,
fokussierte mehr auf das gesamte Temperament eines Menschen als auf
einzelne Charakterzüge. Er war Biologe und glaubte wie Galen und
Hippokrates, dass physiologische Faktoren das Temperament eines
Menschen beeinflussen. Hippokrates postulierte, dass die
Persönlichkeitstypen aufgrund von Mangel oder Überschuss von
bestimmten Körperflüssigkeiten entstehen. Galen baute auf dieser
Theorie auf und benannte die vier Temperamentstypen Sanguiniker,
Choleriker, Phlegmatiker und Melancholiker. Galens Theorie, mit ihrer
physiologischen Herangehensweise, sprach Eysenck an, der ebenfalls
der Überzeugung war, dass das Temperament eines Menschen
physiologisch, genetisch und durch die ihn umgebende Umwelt bestimmt
wird. Eysenck vermutete die biologischen Grundlagen für die
Typendimensionen in individuellen Unterschieden in
neurophysiologischen Erregungs- und Hemmungsprozessen und strebte die
Entwicklung einer experimentell-empirisch prüfbaren, biologisch
fundierten Theorie, grundlegender Persönlichkeitsmerkmale an.
Extraversion nach Eysenck wird definiert als bipolare Dimension mit
den Extrempolen Extraversion und Introversion. Extravertierte
Personen sind demnach gesellig, lebhaft, aktiv, unternehmenslustig,
selbstsicher, sorglos, optimistisch und aufbrausend, wohingegen
introvertierte Personen als zurückaltend, schweigsam, verschlossen,
introspektiv, zurückgezogen gesehen werden, die ihre Gefühle unter
Kontrolle halten und gern voraus planen. Nach Eysenck stellt die
Dimension Extraversion neben den Dimensionen Neurotizismus und
Psychotizismus eine übergeordnete Persönlichkeitsdimension dar, die
eine hierarchische Binnenstruktur aufweist. Extraversion setzt sich
aus vier Hierarchieebenen zusammen. Das Verhalten einer Person in
einer bestimmten Situation, also das konkrete Verhalten einer Person
in einer ganz spezifischen Situation, stellt die erste
Hierarchieebene dar (z.B. Eine Person tritt lebhaft in einer
Diskussion auf). In der zweiten Ebene befindet sich das Verhalten
einer Person in ähnlichen Situationen. Ist das Verhalten einer
Person über ähnliche Situationen hinweg konstant handelt es sich um
eine Gewohnheit (z.B. Eine Person tritt immer in Diskussionen lebhaft
auf). Von einem Persönlichkeitsmerkmal wird gesprochen, wenn das
Verhalten einer Person über verschiedene Situationen hinweg konstant
ist, was der dritten Hierarchieebene entspricht (z.B. Eine Person
tritt über unterschiedliche Situationen hinweg lebhaft auf, auch
außerhalb von Diskussionssituationen). Die Persönlichkeitsmerkmale
werden als Faktoren erster Ebene, als Primärfaktoren, bezeichnet.
Korrelieren die verschiedenen Persönlichkeitsmerkmale positiv
miteinander, haben sie also eine hohe Ausprägung, ist die Ausprägung
der jeweiligen Persönlichkeitsdimension hoch (Hierarchieebene vier)
wird z.B. eine Person als kontaktfreudig, aktiv und lebhaft
beschrieben, ist die Ausprägung der Dimension Extraversion hoch.
(Rammsayer & Weber, 2016b, S.94) Eysenck betonte die Bedeutung
von Fragebögen, zusätzlich zu experimentellen
Untersuchungsstrategien und war der Auffassung, dass sich beide
Methoden ergänzen. Die fragebogenbasierenden Methoden stellen einen
korrelativen Ansatz dar, mit dem Ziel interindividuelle Differenzen
zu erfassen. Experimentelle Methoden sollen interessierende Variablen
gezielt manipulieren.
1.2.1 Die Hemmungs-Theorie der Extraversion
Eysencks
Hemmungstheorie der Extraversion von 1957 dient gemeinsam mit der
Arousal-Theorie der Extraversion zur biologischen Einbettung der
Extraversion und basiert auf Pawlows Konzept der Erregung und Hemmung
(1927) und dessen Weiterentwicklung durch Hull (1943). Eysenck nahm
an, dass extravertierte Personen zur Ausbildung schnell
aufgebauter intensiver und langsam abklingender inhibitorischer
Potenziale und
schwacher
exzitatorischer
Potenziale
neigen, wohingegen Introvertierte, nach Eysenck zur Ausbildung
starker, lang anhaltender exzitatorischer und langsam einsetzender,
schwacher inhibitorischer Potenziale neigen. Untersuchungen zum
Reminiszenz- und Konsolodierungseffekt zeigten bei extravertierten
Versuchspersonen, einen höheren Leistungszuwachs als bei
introvertierten, was durch den Auf- und Abbau leistungshemmender
inhibitorischer Potenziale erklärt wurde, die bei Extravertierten
schneller erfolgen sollte, als bei Introvertierten und daher eine
größere Leistungssteigerung bei den extravertierten
Versuchspersonen bedingen sollte. (Rammsayer & Weber, 2016b,
S.96) Die Hemmungstheorie der Extraversion hat sich etwas später als
unzulänglich erwiesen, da das Hemmungskonzept unklar blieb, das
Erregungs- und Hemmungsgleichgewicht lediglich eindimensional war und
keine Annahmen über das zentralnervöse System als Grundlage für
Unterschiede in den individuellen Extraversionsniveaus gestellt
wurden. Aufgrund dieser Kritikpunkte entwickelte Eysenck 1967 die
Arousaltheorie der Extraversion.
1.2.2 die Arousal-Theorie der Extraversion
Die
Arousal-Theorie der Extraversion ist ein modifiziertes biologisches
Extraversionsmodell und basiert auf weniger Zusatzannahmen als die
Hemmungstheorie. Außerdem gibt es mehr experimentelle Befunde zu
Verhaltensunterschieden. „Nach Eysencks Vorstellung löst
afferenter sensorischer Input im ARAS neuronale Aktivität aus, die
ihrerseits zu einer Erregungszunahme in verschiedenen kortikalen
Hirnregionen führt.“ (Rammsayer & Weber, 2016b, S.97) Demnach
postuliert die Arousal-Theorie also das ARAS (aufsteigendes
retikuläres Aktivierungssystem), das im Hirnstamm lokalisiert ist
und ein komplexes neuronales Netzwerk darstellt, als
neuroanatomisches Substrat der Extraversion. Laut der Arousal-Theorie
unterscheiden sich Introvertierte und Extravertierte in ihrem
generellem Aktivierungsniveau. Introvertierte sind demnach
grundsätzlich stärker habituell aktiviert und haben eine niedrigere
Erregungsschwelle, als Extravertierte, sie weisen also eine größere
Responsivität gegenüber sensorischer Stimulation auf und bereits
schwache Reize können das ARAS überschwellig erregen. (Rammsayer &
Weber, 2016b, S. 97f.) Introvertierte sind folglich chronisch
reizüberflutet, erreichen ihr optimales Erregungsniveau zeitiger und
versuchen aufgrund dessen, Situationen mit zu starker Stimulation zu
vermeiden. Bei Extravertierten vermutete Eysenck hingegen eine höhere
Erregungsschwelle des ARAS. Extravertierte erleben folglich
verminderte Erregungsprozesse durch die Umwelt, in Verbindung mit
hemmenden Impulsen des Körpers. Demzufolge suchen extravertierte
Personen verstärkt nach Situationen mit hoher Stimulation. Diese
Annahmen wurden mittels verschiedener psychophysiologischer
Verfahren, wie Untersuchungen zur EEG Hintergrundaktivität,
ereigniskorrelierten Potenzialen (z.B. N100, P300-Komponente) und
mittels Magnetresonanztomografie, nachgewiesen. (Rammsayer &
Weber 2016b; Rammsayer & Weber, 2016c; Kumari, Ffytche, Williams
& Gray, 2004)
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