Um die Frage beantworten zu
können, ob Tiere auch über Sprache verfügen, sollte zunächst
einmal geklärt werden, was genau unter Sprache verstanden wird.
Sieht man Sprache lediglich als Kommunikation an, so kann man diese
Frage ganz eindeutig mit „Ja“ beantworten, denn Tiere
kommunizieren miteinander. Oft durchaus bewusst wenn beispielsweise
Warnrufe ausgestoßen werden, um Artgenossen vor Fressfeinden zu
warnen, oft aber auch rein instinktiv. Wenn man Sprache nur als
Kommunikation definieren würde, könnte man auch behaupten, dass
Pflanzen ebenfalls über eine Sprache verfügen, denn auch sie
kommunizieren (chemisch) untereinander und mit ihrer Umwelt. Sie
duften zum Beispiel um Bestäuber anzulocken.
Ich möchte für meine
Argumentation hier Charles Hocketts Designkriterien der Sprache und
Beispiele, aus dem Fernlehrbrief verwenden. Sprache ist definiert als
ein System aus Symbolen und Regeln, wobei die Regeln generativ sind.
Es gibt viele Hinweise dafür dass
auch viele Tiere sprachbegabt sein können. Ein Beispiel dafür ist
der Border Collie Rico, der auf Zuruf über 200 verschiedene Objekte
voneinander unterscheiden konnte. Bei weiteren Studien am
Max-Planck-Institut fand man heraus, dass er auch neue Objekte
mittels Ausschlussverfahren den ihm neuen Begriffen zuordnen konnte,
sogenanntes fast-mapping. Diese Fähigkeit wurde bis dahin nur bei
Kindern beobachtet und immer mit Sprachkompetenz in Verbindung
gebracht worden. Allerdings scheint sich es sich nach neuesten
Erkenntnissen bei letzterer Fähigkeit um einen generellen kognitiven
Prozess zu handeln.
Ein weiteres Beispiel dafür dass
Tiere über Sprachkompetenz verfügen ist der Graupapagei Alex. Er
konnte, nachdem er einen begrenzten Wortschatz gelernt hatte,
einfache Fragen beantworten und Objekte kategorisieren. Alex scheint
seine Äußerungen zu verstehen, was Hocketts Designkriterium Nr. 5
(total feedback) entspricht und verleiht dem was er sagt eine
Bedeutung (Designkriterium Nr. 7, sematicity). Die Fähigkeit Lauten
eine Bedeutung zu verleihen ist auch bei großen Tümmlern beobachtet
worden. Jedes Individuum einer Gruppe großer Tümmler verfügt über
einen ihm eigenen Identitätspfiff, der sozusagen der Name des
Individuums ist. Diese Identitätspfiffe werden auch gezielt
eingesetzt um den Zusammenhalt der Gruppe zu fördern. Sie stoßen
diese Identitätspfiffe also nicht wahllos aus, sondern sehr gezielt.
Eine Frage, die viele Forscher
beschäftigt ist die, ob Tiere eine Form menschlicher Sprache lernen
können. Dazu fanden mehrere Versuche statt, Primaten die ASL
(American Sign Language) oder Yerkisch, eine Kunstsprache, die aus
Symbolen, den sogenannten Lexigrammen, besteht, beizubringen. Die
Schimpansin Washoe (Allen und Beatrice Gardner, 1969, 1975) hat ASL
gelernt, die Bedeutungen der einzelnen Handzeichen differenziert und
auf neue Zusammenhänge übertragen. Die Schimpansin Lana (Bettoni
2007, von Glaserfeld 1975) äußerte sich spontan und grammatisch
korrekt in Yerkisch. Diese Erfolge konnten allerdings nicht mit dem
Schimpansen Nim Chimpsky (Herbert Terrace, 1979) repliziert werden.
Man ging daher davon aus, dass sämtliche scheinbare Sprache auf sehr
effizienter operanter Konditionierung beruhte. Der Bonobo Kanzi, aus
dem Team um Sue Savage-Rumbaugh, könnte allerdings wiederum Beweis
dafür sein, dass Primaten doch sprachbegabt sind. Er lernte die
Verwendung von Lexigrammen eher nebenbei, weil er beim Training
seiner Adoptivmutter, für die das Programm bestimmt war, immer
anwesend war. Er lernte dabei nicht nur ein Grundvokabular, sondern
lernte auch diese Vokabeln neu miteinander zu kombinieren und
benutzte Yerkisch schließlich sogar spontan auf seinen Streifzügen
um Selbstgespräche zu führen (Savage-Rumbaugh & Lewin, 1994,
Savage-Rumbaugh et al., 1998). Diese Fähigkeiten entsprechen
Hocketts Designkriterien Nr. 4 (interchangeability) und Nr. 5 (total
feedback). Kanzi verstand offenbar was er sprachlich produzierte und
produzierte was er verstand. Bei Primaten ist inzwischen
referentieller Gebrauch von Sprache nachgewiesen. Geteilte Meinungen
gibt es noch beim intentionalen Gebrauch von Sprache, also der
willkürlichen Kontrolle über Äußerungen und dem Vorsatz ein Ziel
mit diesen Äußerungen zu erreichen. Viele Forscher bezweifeln das.
Cheney, Seyfarth (1994) und Hauser (2001) sehen allerdings in
Täuschungsmanövern von verschiedenen Tieren einen Beleg dafür. Ein
Beispiel für den intentionalen Gebrauch von Kommunikation sind
Meerkatzen, die Warnrufe nur dann ausstoßen wenn Artgenossen in der
Nähe sind, die von einer Warnung vor Gefahr auch profitieren können
(Hauser, 2001, S. 247). Die Laute werden offenbar auch nach
bestimmten Regeln neu miteinander kombiniert, allerdings deutet
bisher nichts darauf hin, dass damit auch eine neue Bedeutung der
Äußerungen erlangt wird, oder neue Begriffe geschöpft werden.
Viele Wissenschaftler gehen davon
aus, dass unsere Sprachkompetenz das ist, was uns am meisten von den
Tieren unterscheidet. Hockett nannte die letzten vier seiner
Designkriterien speziell menschlich, und diese 4 letzten
Designkriterien werden deshalb auch häufiger zur Definition der
Sprache herangezogen. Dazu zählt auch das 10. Kriterium,
displacement, das besagt, dass sich Sprache auch auf etwas Entferntes
beziehen kann. Menschen machen sich Gedanken über vergangenes,
zukünftiges oder auch rein fiktives. Die meisten Äußerungen von
Primaten beziehen sich auf Objekte und Aktionen, die unmittelbar
bevor stehen oder bereits sichtbar sind. Es finden keine
Spekulationen über die Zukunft, die Wirtschaftskrise oder fiktives
statt. Das muss allerdings nicht unbedingt an mangelnder
Sprachbegabung liegen, sondern solche Themen liegen offensichtlich
jenseits des Horizontes. Deswegen ist ein direkter Vergleich
eventuell unangebracht. Es gibt aber auch für das 10. Designkriterum
von Hockett ein Beispiel im Tierreich. Studienergebnisse deuten
darauf hin, dass der Honigtanz der Bienen eine situationsunabhängige
Kommunikationsform darstellt.
Das 11. Designkriterium
(productivity) scheint dagegen spezifisch menschlicher Natur zu sein.
Die menschliche Sprache ist extrem produktiv. Uns gelingt es aus nur
26 Buchstaben (ausgehend vom Deutschen) bis zu 115.000 Wörter zu
bilden, mit jederzeit möglichen Neuschöpfungen. Diese Fähigkeit
scheint für Tiere unmöglich zu sein. Das letzte Designkriterium
(duality of patterning) liefert noch einen Hinweis dafür, dass Tiere
nicht über Sprache verfügen. Es besagt, dass bedeutungslose
Elemente (Phoneme) zu bedeutungshaltigen Elementen (Morphemen)
kombiniert werden. Tiere sind zwar dazu in der Lage Wörtern einen
Sinn zu verleihen, sie können jedoch nicht aus Phonemen neue Wörter
und Morpheme bilden.
Vieles deutet darauf hin, dass der
Unterschied zwischen den tierischen Kommunikationsformen und
menschlicher Sprache eher gradueller als prinzipieller Natur sind.
Tiere kommunizieren aus eigenem Antrieb. Es gibt den Walgesang,
Vogelgesang, Wölfe heulen, Tintenfische wechseln die Farbe und viele
weitere Kommunikationsformen. Viele Tiere verwenden ihre eigenen
Kommunikationsform instinktiv, manche intentional. Die Symbole der
tierischen Kommunikation werden auch nach bestimmten Regeln
miteinander kombiniert, aber es gibt bisher keine Hinweise darauf,
dass ein offenes System von Ausdrucksmöglichkeiten, wie es bei der
menschlichen Sprache der Fall ist, existiert. Dass produktiv neue
Inhalte geschaffen wurden, konnte bisher nur bei Tieren beobachtet
werden, denen eine menschliche Sprache beigebracht wurde, was aber
auch an mangelnder Kenntnis der Tiersprachen liegen könnte.
Allerdings übertreffen schon die sprachlichen Leistungen kleiner
Kinder bei weitem die Möglichkeiten selbst der intelligentesten
Tiere um ein Vielfaches Das schließt aber nicht aus, dass manche
Tierarten eine Art Vorform der Sprache besitzen. Dass sie also über
ein bestimmtes, durchaus vielfältiges Vokabular verfügen, aber
nicht über eine komplexe Syntax, wie die menschliche Sprache.
Ingen kommentarer:
Legg inn en kommentar