tirsdag 9. juni 2015

Verfügen Tiere über Sprache?

Um die Frage beantworten zu können, ob Tiere auch über Sprache verfügen, sollte zunächst einmal geklärt werden, was genau unter Sprache verstanden wird. Sieht man Sprache lediglich als Kommunikation an, so kann man diese Frage ganz eindeutig mit „Ja“ beantworten, denn Tiere kommunizieren miteinander. Oft durchaus bewusst wenn beispielsweise Warnrufe ausgestoßen werden, um Artgenossen vor Fressfeinden zu warnen, oft aber auch rein instinktiv. Wenn man Sprache nur als Kommunikation definieren würde, könnte man auch behaupten, dass Pflanzen ebenfalls über eine Sprache verfügen, denn auch sie kommunizieren (chemisch) untereinander und mit ihrer Umwelt. Sie duften zum Beispiel um Bestäuber anzulocken.
Ich möchte für meine Argumentation hier Charles Hocketts Designkriterien der Sprache und Beispiele, aus dem Fernlehrbrief verwenden. Sprache ist definiert als ein System aus Symbolen und Regeln, wobei die Regeln generativ sind.
Es gibt viele Hinweise dafür dass auch viele Tiere sprachbegabt sein können. Ein Beispiel dafür ist der Border Collie Rico, der auf Zuruf über 200 verschiedene Objekte voneinander unterscheiden konnte. Bei weiteren Studien am Max-Planck-Institut fand man heraus, dass er auch neue Objekte mittels Ausschlussverfahren den ihm neuen Begriffen zuordnen konnte, sogenanntes fast-mapping. Diese Fähigkeit wurde bis dahin nur bei Kindern beobachtet und immer mit Sprachkompetenz in Verbindung gebracht worden. Allerdings scheint sich es sich nach neuesten Erkenntnissen bei letzterer Fähigkeit um einen generellen kognitiven Prozess zu handeln.
Ein weiteres Beispiel dafür dass Tiere über Sprachkompetenz verfügen ist der Graupapagei Alex. Er konnte, nachdem er einen begrenzten Wortschatz gelernt hatte, einfache Fragen beantworten und Objekte kategorisieren. Alex scheint seine Äußerungen zu verstehen, was Hocketts Designkriterium Nr. 5 (total feedback) entspricht und verleiht dem was er sagt eine Bedeutung (Designkriterium Nr. 7, sematicity). Die Fähigkeit Lauten eine Bedeutung zu verleihen ist auch bei großen Tümmlern beobachtet worden. Jedes Individuum einer Gruppe großer Tümmler verfügt über einen ihm eigenen Identitätspfiff, der sozusagen der Name des Individuums ist. Diese Identitätspfiffe werden auch gezielt eingesetzt um den Zusammenhalt der Gruppe zu fördern. Sie stoßen diese Identitätspfiffe also nicht wahllos aus, sondern sehr gezielt.
Eine Frage, die viele Forscher beschäftigt ist die, ob Tiere eine Form menschlicher Sprache lernen können. Dazu fanden mehrere Versuche statt, Primaten die ASL (American Sign Language) oder Yerkisch, eine Kunstsprache, die aus Symbolen, den sogenannten Lexigrammen, besteht, beizubringen. Die Schimpansin Washoe (Allen und Beatrice Gardner, 1969, 1975) hat ASL gelernt, die Bedeutungen der einzelnen Handzeichen differenziert und auf neue Zusammenhänge übertragen. Die Schimpansin Lana (Bettoni 2007, von Glaserfeld 1975) äußerte sich spontan und grammatisch korrekt in Yerkisch. Diese Erfolge konnten allerdings nicht mit dem Schimpansen Nim Chimpsky (Herbert Terrace, 1979) repliziert werden. Man ging daher davon aus, dass sämtliche scheinbare Sprache auf sehr effizienter operanter Konditionierung beruhte. Der Bonobo Kanzi, aus dem Team um Sue Savage-Rumbaugh, könnte allerdings wiederum Beweis dafür sein, dass Primaten doch sprachbegabt sind. Er lernte die Verwendung von Lexigrammen eher nebenbei, weil er beim Training seiner Adoptivmutter, für die das Programm bestimmt war, immer anwesend war. Er lernte dabei nicht nur ein Grundvokabular, sondern lernte auch diese Vokabeln neu miteinander zu kombinieren und benutzte Yerkisch schließlich sogar spontan auf seinen Streifzügen um Selbstgespräche zu führen (Savage-Rumbaugh & Lewin, 1994, Savage-Rumbaugh et al., 1998). Diese Fähigkeiten entsprechen Hocketts Designkriterien Nr. 4 (interchangeability) und Nr. 5 (total feedback). Kanzi verstand offenbar was er sprachlich produzierte und produzierte was er verstand. Bei Primaten ist inzwischen referentieller Gebrauch von Sprache nachgewiesen. Geteilte Meinungen gibt es noch beim intentionalen Gebrauch von Sprache, also der willkürlichen Kontrolle über Äußerungen und dem Vorsatz ein Ziel mit diesen Äußerungen zu erreichen. Viele Forscher bezweifeln das. Cheney, Seyfarth (1994) und Hauser (2001) sehen allerdings in Täuschungsmanövern von verschiedenen Tieren einen Beleg dafür. Ein Beispiel für den intentionalen Gebrauch von Kommunikation sind Meerkatzen, die Warnrufe nur dann ausstoßen wenn Artgenossen in der Nähe sind, die von einer Warnung vor Gefahr auch profitieren können (Hauser, 2001, S. 247). Die Laute werden offenbar auch nach bestimmten Regeln neu miteinander kombiniert, allerdings deutet bisher nichts darauf hin, dass damit auch eine neue Bedeutung der Äußerungen erlangt wird, oder neue Begriffe geschöpft werden.
Viele Wissenschaftler gehen davon aus, dass unsere Sprachkompetenz das ist, was uns am meisten von den Tieren unterscheidet. Hockett nannte die letzten vier seiner Designkriterien speziell menschlich, und diese 4 letzten Designkriterien werden deshalb auch häufiger zur Definition der Sprache herangezogen. Dazu zählt auch das 10. Kriterium, displacement, das besagt, dass sich Sprache auch auf etwas Entferntes beziehen kann. Menschen machen sich Gedanken über vergangenes, zukünftiges oder auch rein fiktives. Die meisten Äußerungen von Primaten beziehen sich auf Objekte und Aktionen, die unmittelbar bevor stehen oder bereits sichtbar sind. Es finden keine Spekulationen über die Zukunft, die Wirtschaftskrise oder fiktives statt. Das muss allerdings nicht unbedingt an mangelnder Sprachbegabung liegen, sondern solche Themen liegen offensichtlich jenseits des Horizontes. Deswegen ist ein direkter Vergleich eventuell unangebracht. Es gibt aber auch für das 10. Designkriterum von Hockett ein Beispiel im Tierreich. Studienergebnisse deuten darauf hin, dass der Honigtanz der Bienen eine situationsunabhängige Kommunikationsform darstellt.
Das 11. Designkriterium (productivity) scheint dagegen spezifisch menschlicher Natur zu sein. Die menschliche Sprache ist extrem produktiv. Uns gelingt es aus nur 26 Buchstaben (ausgehend vom Deutschen) bis zu 115.000 Wörter zu bilden, mit jederzeit möglichen Neuschöpfungen. Diese Fähigkeit scheint für Tiere unmöglich zu sein. Das letzte Designkriterium (duality of patterning) liefert noch einen Hinweis dafür, dass Tiere nicht über Sprache verfügen. Es besagt, dass bedeutungslose Elemente (Phoneme) zu bedeutungshaltigen Elementen (Morphemen) kombiniert werden. Tiere sind zwar dazu in der Lage Wörtern einen Sinn zu verleihen, sie können jedoch nicht aus Phonemen neue Wörter und Morpheme bilden.
Vieles deutet darauf hin, dass der Unterschied zwischen den tierischen Kommunikationsformen und menschlicher Sprache eher gradueller als prinzipieller Natur sind. Tiere kommunizieren aus eigenem Antrieb. Es gibt den Walgesang, Vogelgesang, Wölfe heulen, Tintenfische wechseln die Farbe und viele weitere Kommunikationsformen. Viele Tiere verwenden ihre eigenen Kommunikationsform instinktiv, manche intentional. Die Symbole der tierischen Kommunikation werden auch nach bestimmten Regeln miteinander kombiniert, aber es gibt bisher keine Hinweise darauf, dass ein offenes System von Ausdrucksmöglichkeiten, wie es bei der menschlichen Sprache der Fall ist, existiert. Dass produktiv neue Inhalte geschaffen wurden, konnte bisher nur bei Tieren beobachtet werden, denen eine menschliche Sprache beigebracht wurde, was aber auch an mangelnder Kenntnis der Tiersprachen liegen könnte. Allerdings übertreffen schon die sprachlichen Leistungen kleiner Kinder bei weitem die Möglichkeiten selbst der intelligentesten Tiere um ein Vielfaches Das schließt aber nicht aus, dass manche Tierarten eine Art Vorform der Sprache besitzen. Dass sie also über ein bestimmtes, durchaus vielfältiges Vokabular verfügen, aber nicht über eine komplexe Syntax, wie die menschliche Sprache.

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